Der imaginäre Freund – gut oder besorgniserregend?
Solch einen Moment kennen viele Pädagogen. Plötzlich hat man ein Kindergartenkind mehr in seiner Gruppe. Doch es ist nicht irgendein Kindergartenkind, nein, es ist ein imaginäres.
Plötzlich hat man ein Kindergartenkind mehr in seiner Gruppe
Doch was hat das zu bedeuten, wenn Kinder plötzlich einen imaginären Freund haben? Galt das früher nicht als bedenklich? Wie sieht die Forschung das heute? Und wie geht man als Pädagoge am besten mit einer solchen Situation um?
Zuerst einmal Entwarnung! Auch wenn der imaginäre Freund früher noch kritisch gesehen wurde, gilt er heute als etwas Positives.
In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich die Wissenschaft und Forschung viel mit der Thematik des imaginären Freundes im Kindesalter auseinandergesetzt. Wurde der imaginäre Freund früher noch mit auffälligen Kindern und unzureichender Beziehungsfähigkeit assoziiert, gelten diese Annahmen nach heutigem Stand als widerlegt.
Das Phänomen des imaginären Freundes ist weit verbreiteter als die meisten meinen. Ein bis zwei Drittel der Menschen haben im Laufe ihrer Kindheit einen imaginären Freund. Meist tritt dieses Phänomen zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr auf, kann aber natürlich auch schon etwas früher oder auch später noch vorkommen.
Ein imaginärer Freund zeichnet sich dadurch aus, dass er eine mit einem Namen versehene Person, Fantasiegestalt oder auch ein Tier ist, einem Geschlecht zugeordnet wird, ein durch das Kind genau festgelegtes Aussehen hat und das Kind über einen längeren Zeitraum in seinen Lebenswelten begleitet. Dem Kind ist dabei sehr bewusst, dass dieser imaginäre Freund nicht real ist.
Doch was sagt das Vorhandensein eines imaginären Freundes über das Kind aus?
Oft kreiert ein Kind seinen imaginären Freund aus reiner Langeweile, beispielsweise weil es eine Zeit lang zu wenig mit gleichaltrigen Spielgefährten in Kontakt war oder weil es sich gerade für seine aktuellen Spielmöglichkeiten schlichtweg nicht mehr interessiert. Auch kann das Vorhandensein eines imaginären Freundes von Kindern dabei helfen, schlimme Erfahrungen oder eigene Probleme zu verarbeiten.
Im Grunde schult sich das Kind durch seinen imaginären Freund selbst in seiner Sozialkompetenz. Es lernt sich besser in andere Menschen hineinzuversetzen, empathiefähiger zu sein, seine Grenzen auszutesten, problematische Situationen zu meistern und sich anderen gegenüber zu öffnen. Zu erwähnen ist auch, dass der imaginäre Freund nicht immer nett und lieb sein muss, sondern häufig auch wirklich gemein sein kann. Dadurch üben Kinder den Umgang mit Streit und Konflikten. Auch die sprachlichen Fähigkeiten werden durch das Phänomen des imaginären Freundes verbessert, da das Kind den imaginären Freund häufig dafür nutzt, seine eigenen Wünsche, Gefühle und Bedürfnisse durch ihn zu artikulieren. Ein Beispiel hierfür wäre folgende Situation: Das Kind soll bitte aus dem Büro der Einrichtungsleitung etwas holen. Es traut sich aber nicht alleine dorthin zu gehen und weiß nicht, wie es das am besten sagen soll. Deshalb sagt es stattdessen „Lilli traut sich aber nicht allein zum Büro zu laufen, kann nicht noch jemand mitkommen?“.
Zu guter Letzt gelten Kinder mit einem imaginären Freund als kreativer.
Nun stellt sich nur noch die Frage, wie man als Pädagoge beziehungsweise Erwachsener am besten mit dieser Situation umgeht. Dafür haben wir euch ein paar hilfreiche Tipps zusammengestellt.
Tipps im Umgang mit imaginären Freunden:
- Bleibt entspannt und gelassen
- Geht auf den imaginären Freund ein und spielt mit
- Denkt daran, dass das Kind den imaginären Freund häufig nutzt um Wünsche, Ängste und Bedürfnisse zu äußern
- Nutzt den imaginären Freund, um gewisse Thematiken mit dem Kind zu besprechen
- Behaltet im Hinterkopf, dass der imaginäre Freund etwas Positives ist und irgendwann auch wieder von alleine verschwindet